From Neustrelitz to New Zealand
10
Jan

Über Anne

geschrieben in   von admin

“Alles kommt erstens immer anders und zweitens, als man denkt.” Wie oft hatten wir diesen Satz schon gehört und hatten doch vollstes Vertrauen in unseren lang erdachten Plan, wie er auf der “Über uns”-Seite erläutert ist. Doch wie es sich bald nach unserer Ankunft im gelobten Neuseeland herausstellte, waren die Sorgen der lieben Daheimgebliebenen nicht komplett unbegründet und zumindest für mich kam dann, trotz allem anfänglichen Optimismus, alles anders…

Die erste Hälfte unserer 9 Monate am anderen Ende der Welt wollten wir also in der sicheren Umgebung einer Au-Pair-Familie verbringen, um uns an das fremde Land zu gewöhnen und etwas Geld für die Reisezeit zu verdienen. Pauline hat ihren Teil dieser Vereinbarung auch ganz super eingehalten, wie ihr auf ihrer “Über Pauline”-Seite nachlesen könnt. Nur bei mir gabs praktisch vom ersten Tag an Probleme mit der Gastmutter, sodass unsere Neuseelanderlebnisse plötzlich zwei komplett gegensätzliche Richtungen einschlugen.

So kam es dann, dass ich mich nach ziemlich genau einer Woche als Au-Pair und mit all meinem Gepäck an einer abgelegenen Bushaltestelle mitten auf dem Land wiederfand. Meine Gastmutter hatte in einer spontanen Aktion beschlossen, mich meine Sachen packen zu lassen und mich auf dem Weg zu ihrer Freundin an besagtem Ort abzusetzen. Der Rauswurf kam für mich also sehr überraschend, vor Allem da ich mich mit dem Rest der Familie gut verstanden hatte.

Nun brauchte ich allerdings ersteinmal einen Plan. Erster Schritt: Auf nach Auckland. Dort mietete ich mich für die Nacht in ein Hostel ein und nahm per Internet Kontakt mit Pauline auf. Glücklicherweise konnte mich ihre Gastfamilie für die nächsten Tage aufnehmen und so kam ich nach 24 Stunden Großstadt wieder zurück aufs Land.

Es war Zeit für Schritt zwei: Ich brauchte einen Job. Marjolein und Kyle fragten für mich bei Freunden und Bekannten nach, wir durchsuchten Jobbörsen in Zeitungen und im Internet und dann kam uns die Idee der Initiativbewerbung. Marjolein half mir, einen auffälligen “Job Wanted”-Flyer zu designen und auszudrucken, und schon am nächsten Tag gings auf nach Auckland zum “Doorknocking”: Das heißt, ich bin ziellos durch die Straßen gelaufen und hab in allen Restaurants, Bars, Cafès, Hotels etc. die sympathisch schienen, nach einem Job gefragt und meinen Flyer hinterlassen. Diese Art der Arbeitssuche stellte sich allerdings nicht als sehr aufbauend heraus. Die meisten potentiellen Arbeitgeber zeigten wenig Interesse und versuchten mich mit einem freundlichen “We will call you later” abzuwimmeln…

Am Abend, nach weiterer Internetrecherche und ein paar Telefongesprächen, gab es endlich einen Erfolg zu verzeichnen: Ich hatte einen Job in der Skyway Lodge, einem kleinen Hotel in der Nähe des Flughafens, ergattert und konnte schon am nächsten Morgen anfangen! Gesagt, getan fand ich mich bald in Mangere, einem südlichen Stadtteil Aucklands wieder, wo ich im Austausch für die Unterkunft arbeitete. Da ich mich aber in dieser Gegend, die allgemeinhin auch nicht gerade als die schönste Ecke Aucklands bekannst is, nicht sehr wohl fühlte und ich durch die Arbeit nicht einmal meine Kosten decken konnte, setzte ich meine Jobsuche fort.

Über Kontakte meines Vaters lernte ich per E-Mail Rosemarie kennen, die mir anbot, mich für eine Weile bei sich aufzunehmen, bis ich einen Job gefunden hätte. Außerdem machte sie mich mit Louise bekannt, deren Familie gerade ein Au-Pair gebrauchen konnte, also haben wir direkt ein Treffen ausgemacht, um uns näher kennen zu lernen. Leider ist aus der ganzen Sache am Ende nichts geworden, obwohl wir uns sehr sympathisch waren und einen schönen Tag miteinander verbracht hatten.

Zwei Tage später probierte ich die letzte Möglichkeit aus, die mir zu diesem Zeitpunkt offenstand: Ein Hotel antwortete positiv auf meine Initiativbewerbung und so kündigte ich in der Lodge und machte mich mit all meinem Gepäck auf zum Probearbeiten. Da ich mich dort auf Anhieb wohlfühlte sagte ich auch sofort zu und war nun Zimmermädchen im Emerald Inn in Takapuna, meinem neuen zu Hause wo ich jetzt nur noch ein zu Hause brauchte.

Wiedereinmal halfen mir Marjolein und Kyle aus meiner Obdachlosigkeit und nahmen mich fürs Wochenende bei sich auf, wo ich mich endlich um Schritt 3 zum Aufbau meines neuen Lebens in einem fremden Land kümmern konnte: die Wohnungssuche. Dies war zur Abwechslung mal einfacher als gedacht. Gleich in das erste freie Zimmer, für das ich anrief, konnte ich am nächsten Tag einziehen.

Ich fühlte mich also schon recht bald recht wohl in meinem kleinen blauen Dachgeschosszimmer (in dem man jedoch nicht einmal stehen konnte) in dem Blauen Haus, wie wir es nannten, denn ich hatte coole Mitbewohner und ein Fahrrad um zur Arbeit zu radeln. Schon bald konnte ich sogar einen zweiten Job anfangen und arbeitete fortan abends als Bedienung im Restaurant Patio. Dort lernte ich auch Ondo kennen, der mich später bei sich aufnahm, als ich nach 4 Wochen aus dem Blauen Haus auszog, da ich mit meiner Vermieterin einige Meinungsverschiedenheiten über Essgewohnheiten hatte.

Mein neues Heim lag nur eine Straße weiter, sodass ich mich wenig umgewöhnen musste; nur war es so steril weiß wie das vorherige blau war. Das Zimmer war auch um einiges größer, allerdings teilte ich es mit Ondo, was kein großes Problem darstellte, denn mein improvisiertes Bett (Matratze plus Schlafsack) nahm nicht allzu viel Platz ein. Mit uns im Haus wohnten Richard, ein sportbesessener Kiwi, und Ariel, ein älterer Mann aus Malaysia und unser Vermieter. Mein Aufenthalt währte jedoch erneut nur 4 Wochen, bis ich wieder eine Straße weiterzog.

Zusammen mit Aaron, den ich ein paar Wochen zuvor kennen gelernt hatte und mit dem ich mittlerweile gut befreundet war, und einer vierköpfigen Familie zog ich in ein recht geräumiges Haus mit schönem Garten, großer Terasse und praktisch allem was man sich wünschen kann. Außerdem wohnte noch Aarons Tochter Jordyn, die er die halbe Woche über hatte, mit uns zusammen. Was wir allerdings nicht vorher ahnen konnten und woran wir uns wohl auch bis zum Schluss nicht gewöhnen werden, ist, dass es in diesem Haus einfach immer etwas verrückt zugeht, was wahrscheinlich größtenteils an unserer Vermieterin Angie, der Mutter der Familie, liegt, die ganz schön abgedreht ist. Es vergeht kein Tag, an dem wir nicht mindestens fünf mal zu hören kriegen, wie schön doch das Wetter heute wieder ist und dass ihr Lieblingsstrand Thorns Bay zwischen Milford und Takapuna wäre.

“Ziemlich abgedreht” ist außerdem eine ganz passende Beschreibung für meine gesamte Zeit, die ich hier in Takapuna verbracht habe. Im Allgemeinen konnte ich meinen Arbeitsplan jede Woche so hindrehen, dass ich Sonntag und Montag frei hatte, was dann mein Wochenende war, welches ich normalerweise mit Pauline verbrachte. Was wir an diesen Tagen so angestellt hatten, war dann, was ihr am Ende im Blog nachlesen konntet. Doch auch in der Woche wollte sich irgendwie selbst nach 3 Monaten, die ich jetzt hier gearbeitet hatte, kein wirklicher Alltag einschleichen. Statt dessen zog ich alle paar Wochen um und lernte fast täglich neue Leute kennen, viele nur oberflächlich, doch einige habe ich öfter getroffen und mit der Zeit sehr lieb gewonnen. Vor allem mit Kollegen aus dem Hotel und dem Restaurant habe ich einige gute Freundschaften geschlossen.

Und so hatte ich dann zwischen meinen beiden Jobs immer gute Organisationsarbeit zu leisten, um all die Treffen, Unternehmungen, und Shoppingtouren in meinen Tagesplan zu quetschen und trotzdem ab und zu Zeit zum schlafen zu finden. Das war leider nicht immer möglich, und so kam ich nicht selten total übermüdet zur Arbeit. Denn oft, wenn wir abends um 22 Uhr im Restaurant Feierabend machten, ergab sich noch die eine oder andere Gelegenheit, in den Club oder die Rock-Bar auf der anderen Straßenseite zu gehen, natürlich “nur auf ein oder zwei Drinks”.

Vor allem aber seit Halloween bekam ich einen noch besseren Einblick in das Leben als Kiwi. Ich lernte an diesem Abend im Coppper Room, besagter Rock-Bar in Takapuna, Aaron kennen. Er ist der Bassist der Band “Undercover”, die an diesem Abend dort spielte. Wir trafen uns also öfter in den folgenden Wochen und er zeigte mir Auckland, wir besuchten Konzerte befreundeter Bands und bei seinen Auftritten war ich Ehrengast: Ich bekam Freibier an der Bar, Sonderkreationen aus der Küche, trank nach Feierabend zusammen mit der Band und dem Security-Team, als alle anderen Gäste schon längst verschwunden sein mussten und natürlich hatte ich auch “meinen Song”, der von Aaron höchstpersönlich für mich angesagt wurde: “Another Brick in the Wall” von Pink Floyd. Es war einfach eine super aufregende Zeit, von allen wurde ich als Teil der Band an- und wiedererkannt und ich kam mit zu Proben und Jam Sessions und half beim Auf- und Abbauen bei den Auftritten.

Insgesamt verbrachte ich also nicht nur den größten sondern auch den absolut großartigsten Teil meiner bisherigen Neuseelandzeit in Takapuna. Natürlich bin ich jetzt schon traurig, wenn ich an den Abschied denke, aber ich wusste ja von Anfang an, wie knapp die Zeit ist. Und sie wäre ansonsten wahrscheinlich auch nicht so intensiv und vollgepackt mit neuen Eindrücken und Erfahrungen gewesen.

Also, unser Plan stand und steht fest: Jetzt wird gereist! So schlecht ist das ja auch nicht. :)